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Verpackung ist allgegenwärtig – und war lange Zeit vor allem eines: kurzlebig. Karton, Kunststoff, Folie – sie schützen, transportieren und informieren, werden jedoch meist nur für Sekunden beachtet, bevor sie im Müll landen. Die Folgen sind bekannt: überfüllte Deponien, Mikroplastik in den Meeren, CO₂-intensive Herstellungsprozesse. Doch eine neue Designbewegung stellt das Prinzip der Einwegverpackung infrage. Unter dem Schlagwort Circular Packaging erlebt das Mehrwegdesign eine bemerkenswerte Renaissance – nicht nostalgisch, sondern hochinnovativ.

In Zeiten von Ressourcenknappheit, wachsendem Nachhaltigkeitsbewusstsein und strengeren Regulierungen gewinnt der geschlossene Verpackungskreislauf rasant an Relevanz – für Marken, Konsumenten und Designer gleichermaßen. Die Frage ist längst nicht mehr, ob Mehrweg sinnvoll ist. Sondern: Wie lässt es sich wirtschaftlich, ästhetisch und ökologisch neu denken?

Neue Kreisläufe, neue Konzepte: Was Circular Packaging wirklich bedeutet

Circular Packaging verfolgt das Ziel, Verpackungen so zu gestalten, dass sie mehrfach nutzbar sind, sich recyceln oder biologisch abbauen lassen – idealerweise ohne Qualitätsverlust. Das Prinzip folgt dem Cradle-to-Cradle-Gedanken: Produkte sollen keinen Abfall erzeugen, sondern Teil eines geschlossenen Stoffkreislaufs sein.

Zentrale Prinzipien des Circular Packaging:

  • Design for Reuse: Verpackungen werden von Anfang an so gestaltet, dass sie mehrfach verwendet werden können – z. B. durch robuste Materialien, modulare Formen oder leicht zu reinigende Oberflächen.
  • Design for Recycling: Mono-Materialien und trennbare Komponenten ermöglichen sortenreines Recycling ohne Downcycling.
  • Design for Composting: Biologisch abbaubare Verpackungen, etwa aus Pilzfasern oder Algen, sollen sich rückstandslos in natürliche Kreisläufe einfügen.

Was wie ein Ideal klingt, wird zunehmend Realität. Vorreiter wie Loop by TerraCycle arbeiten mit globalen Marken an nachfüllbaren Verpackungen für Shampoo, Eiscreme oder Waschmittel. Im Einzelhandel etablieren sich Systeme mit digitalem Pfandmanagement und Rückgabestationen. Selbst die klassische Lebensmittel Verpackung wird neu gedacht – zwischen Funktion, Nachhaltigkeit und Designanspruch.

Die Renaissance des Mehrwegdesigns: Ästhetik trifft Ökologie

Was früher als altbacken galt – die Milchflasche, das Pfandglas, die Metallbox – avanciert heute zum Ausdruck bewusster Gestaltung. Mehrweg ist kein Rückschritt, sondern ein ästhetischer Paradigmenwechsel, der auch die visuelle Sprache der Verpackungswelt verändert.

Neue Designansätze im Mehrwegbereich:

  • Reduktion & Klarheit: Wiederverwendbare Verpackungen setzen auf minimalistisches, zeitloses Design statt auf schrille Werbebotschaften.
  • Materialkontraste: Glas, Edelstahl, Biopolymer – die Kombination natürlicher, robuster Materialien vermittelt Wertigkeit und Langlebigkeit.
  • Modularität & Funktionalität: Verpackungen werden stapelbar, platzsparend oder multifunktional gestaltet (z. B. als Aufbewahrungsbox nach Gebrauch).
  • Emotionales Storytelling: Die Verpackung erzählt eine Geschichte – über Herkunft, Kreislauf und das eigene „zweite Leben“.

Designstudios wie Superunion, Pentagram oder Snøhetta experimentieren mit circular concepts, die Markenidentität nicht durch Austauschbarkeit opfern, sondern durch Beständigkeit stärken. Wer heute einen wiederverwendbaren Kaffeebecher oder eine Mehrwegverpackung nutzt, setzt ein Zeichen – gegen Wegwerfkultur, für Verantwortungsbewusstsein.

Wirtschaft unter Druck: Warum lineare Verpackungssysteme ausgedient haben

Der ökologische Impuls ist längst nicht mehr der einzige Treiber. Ökonomischer und regulatorischer Druck machen Einwegverpackungen zunehmend unattraktiv – für Marken wie für Händler.

Drei aktuelle Entwicklungen:

  • Regulatorische Maßnahmen: Die EU-Verpackungsverordnung (PPWR) fordert u. a. Mindestquoten für wiederverwendbare Verpackungen, Kennzeichnungspflichten und die Reduktion von Verpackungsmüll.
  • Kostenfaktor Ressourcen: Die steigenden Preise für Primärmaterialien wie Aluminium oder Kunststoff erhöhen die Attraktivität langlebiger Verpackungslösungen.
  • Konsumentenverhalten: Laut einer Studie des WWF bevorzugen mittlerweile rund 70 % der Konsumenten nachhaltige Verpackungen – selbst bei höheren Preisen.

Doch der Übergang zur Circular Economy ist komplex: Es braucht Investitionen in Infrastruktur, neue Logistikkonzepte, Systempartnerschaften und – nicht zuletzt – eine neue Denkweise entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Nur wenn Design, Produktion, Nutzung und Rückführung zusammenspielen, entsteht ein echter Kreislauf.

Case Studies: Wenn Theorie Praxis wird

Immer mehr Unternehmen wagen den Schritt in Richtung Circular Packaging – vom kleinen Start-up bis zum Konzern.

  • Frosch: Der Reinigungsmittelhersteller nutzt Nachfüllsysteme mit Standbodenbeuteln und testet Pfandflaschen in Pilotmärkten.
  • Blaue Helden: Das Berliner Start-up verkauft Reinigungstabs, die zu Hause in stylische Glasflaschen eingefüllt werden – ganz ohne neue Plastikverpackung.
  • Rewe & Edeka: Beide Einzelhändler bieten zunehmend Mehrwegverpackungen in Frischetheken an – mit digitalem Pfandsystem über Apps.
  • Algramo (Chile): Ein globales Vorbild für nachfüllbare Systeme – die Smart-Dispenser ermöglichen Nachfüllungen direkt am Verkaufsort, abgerechnet per Chip oder App.

Diese Beispiele zeigen: Circular Packaging ist kein Zukunftsthema mehr, sondern konkrete Realität – wenn auch noch nicht flächendeckend.

Weiterdenken statt wegwerfen: Warum radikales Umdenken jetzt lohnt

Das Comeback des Mehrwegdesigns ist kein nostalgischer Akt, sondern ein notwendiger Schritt in eine neue Designethik. Verpackungen sind längst nicht mehr nur Hüllen – sie transportieren Verantwortung, Haltung und Visionen. Wer heute linear denkt, agiert morgen rückständig. Wer heute mutig zirkulär gestaltet, wird Teil einer Bewegung, die mehr ist als ein Trend: ein systemischer Kulturwandel.

Denn in einer Welt, in der Ressourcen zur Währung werden, wird die Gestaltung von Kreisläufen zum Designauftrag der nächsten Dekade. Verpackung wird nicht verschwinden – aber sie wird sich transformieren. Und mit ihr die Art, wie man konsumiert, gestaltet und denkt. Circular Packaging ist dabei nicht nur eine technische, sondern vor allem eine kulturelle Herausforderung. Wer sie annimmt, gestaltet nicht weniger als die neue Oberfläche des Alltags.

 

Von Reporter1